Sechs Schritte zur Anpassung meiner Diabetestherapie beim Sport

Einfach so loslaufen oder radeln, weil ich es halt gerade möchte, das geht leider nicht …
Doch das notwendige Vorausplanen und die gründliche Auswertung des Trainings bzw. Wettkampfs sind bereits die einzigen “Einschränkungen”, die mir mein Diabetes auferlegt.
Ansonsten gilt: Alles ist möglich! – Nur die Anpassung meiner Diabetes-Therapie muss irgendwie stimmen.


1. Die drei ???

Nur: Von was ist meine Therapieanpassung abhängig, von welchen Faktoren wird diese beeinflusst?
Um diese komplexe Frage zu beantworten stelle ich mir zunächst drei einfache Fragen:

a. Was möchte ich heute trainieren?

Als Erstes überlege ich mir, was ich heute trainieren möchte, und zwar hinsichtlich

  • der Sportart,
  • der Trainingsdauer
  • und der Intensität.

Vielleicht ist es für Nicht-Sportler überraschend, für alle anderen aber eine Binse, die jeder Sportler mit Diabetes, der verschiedene Sportarten betreibt, sicherlich bestätigen wird:
Der Energieverbrauch und die Insulinempfindlichkeit unterscheiden sich in den Sportarten massiv! Bei mir ergibt sich ganz klar folgende Reihenfolge: Die deutlichsten Therapieanpassungen (bei gleicher Dauer und Intensität!) erfordern  Schwimmen und Laufen, während Radfahren und insbesondere Krafttraining weniger starke Veränderungen erfordern.
So verbrenne ich unter vergleichbaren Bedingungen (Tageszeit, Basalrate, Abstand vom letzten Bolus) bei einer halben Stunde Laufen oder Schwimmen ungefähr drei BEs (1 BE = 12 g Kohlenhydrate), beim Radfahren zwei und beim Krafttraining lediglich eine.

In jedem Falle selbstverständlicher sind die beiden anderen Faktoren Trainingsdauer und Intensität. Dabei fällt es mir am leichtesten, die Trainingsdauer zu berücksichtigen, weil sich mein Energieverbrauch bei sich nicht verändernden Bedingungen (s. o.) in der Regel sehr linear verhält: Benötige ich für eine Stunde Sport 5 BEs, sind es für zwei Stunden 10, für drei 15 usw. Die Erfahrung einiger Marathonläufer, dass auf den letzten zehn Kilometern ihr Bedarf an Sport-BEs massiv steigt (wohl weil die Energiereserven der Muskulatur aufgebraucht sind), kann ich nicht bestätigen: Bei mir bleibt der Bedarf – glücklicherweise – konstant, widerspreche aber nicht der Möglichkeit, dass sich der Stoffwechsel bei anderen Menschen ganz anders verhält.

Schwieriger fällt mir die Einschätzung der Trainingsintensität: Während eine gemütliche Trainingseinheit im aeroben Bereich (keine Sauerstoffschuld, eine Unterhaltung mit einem Trainingspartner ist gut möglich) leicht einzuschätzen ist (gleichmäßiger Energieverbrauch bzw. linear fallender Blutzuckerspiegel), sind Trainingseinheiten an der anaeroben Schwelle bzw. im anaeroben Bereich kaum kalkulierbar: Mir scheint, als führe eine hohe Belastungsintensität zu einem geringeren Energieverbrauch und anaerobe Belastungen sogar zu einem leichten Anstieg des Blutzuckers.
Dieses Phänomen lässt sich wohl durch eine höhere Milchsäure-Konzentration im Muskel erklären, denn Lactat (= Milchsäure) senkt bekanntlich die Insulinempfindlichkeit. Aber auch mit diesem Wissen bin ich von meinen Blutzuckerverläufen bei sehr intensivem Training immer wieder überrascht, weil ich die Intensität oft nicht richtig beurteilen kann: Scheinbar habe ich oft kein Gefühl dafür, welche Lactatwerte bei welcher Intensität entstehen.
Sicherlich könnte ein pulsgesteuertes Training, das auf einer sportmedizinischen Leistungsdiagnostik beruht (hier werden sowohl die anaerobe Schwelle als auch die pulsabhängigen Lactatwerte bestimmt), mehr Klarheit bringen. Da ich aber derzeit sowohl Kosten wie Aufwand scheue (die Diagnostik müsste sportartspezifisch erfolgen und in regelmäßigen Abständen wiederholt werden), bleibt also nur trial and error: Ich versuche eine Einschätzung des Energiebedarfs vor dem Training und reagiere während (Blutzucker messen!) und nach dem Training, indem ich entweder zusätzlich esse oder – in der Regel nach dem Training (!) – meinen Blutzucker mittels eines Bolus entsprechend korrigiere.

b. Zu welcher Tageszeit trainiere ich?

Im Verlauf eines Tages schwankt die Insulinempfindlichkeit und damit der Insulinbedarf deutlich. Bei mir – und den meisten Menschen – ist die Insulinempfindlichkeit morgens am geringsten und steigt im Verlaufe des Tages an. Diese Insulinempfindlichkeit spiegelt sich sowohl in meiner Basalrate (morgens wird stündlich deutlich mehr Insulinabgegeben als abends) als auch in meinen BE-Faktoren: Decke ich beim Frühstück 1 BE mit 1,5 Einheiten Insulin ab, ist es abends ein Verhältnis von 1:1.
Parallel dazu steigt und fällt auch mein Energieverbrauch beim Sport: Ein einstündiger 12 Kilometer-Lauf gelingt morgens vor dem Frühstück mit einer zusätzlichen BE, während ich abends fünf Sport-BEs benötige.

c. Ist noch ein Insulin-Bolus unterwegs?

Diese letzte Frage ist vielleicht sogar die wichtigste, denn Sport während eines laufenden Bolus (sei es ein Mahlzeiten- oder ein Korrektur-Bolus) beeinflusst die Therapieanpassung massiv!

Beginnt ein Sportler ohne Diabetes zu trainieren, senkt sich der Insulinspiegel sofort stark. Diese an sich notwendige Reaktion unterbleibt beim Diabetiker, weil wir unser Insulin normaler Weise nicht intravenös verabreichen (hier wäre aufgrund der kurzen Halbwertszeit des Insulins im Blut eine ähnliche Reaktion provozierbar), sondern ins Unterhautfettgewebe spritzen, aus dem das Insulin in einem Stunden dauernden, kurzfristig nicht beeinflussbaren Resorbtionsprozess abgegeben wird. Mit anderen Worten: Einmal abgegebenes Insulin wirkt auch dann, wenn wir es gar nicht mehr brauchen – und unsere unvermeidbaren Hypos erinnern uns immer wieder daran, dass das so ist …

Beginne ich also zu trainieren, während noch Bolus-Insulin unterwegs ist, verstärken sich zwei Aspekte: Das resorbierte Bolus-Insulin trifft auf eine durch den Sport gesteigerte Insulinemfindlichkeit und muss mit einer besonders großen Menge Sport-BEs abgefedert werden. Bei mir verdreifacht (!) sich teilweise bei einem “laufenden” Bolus die Menge der notwendigen Kohlenhydrate: Eine halbe Stunde Laufen kostet dann nicht drei, sondern bis zu neun Sport-BEs! Dabei werden umso mehr Kohlenhydrate verbrannt, je näher mein Sport an den Zeitpunkt des Bolus’ heranrückt. Und auch wenn die Wirkkurven der schnellwirkenden Analog-Insuline suggerieren, das nach drei Stunden der Bolus komplett abgebaut ist, beweist mein Blutzuckerlauf während des Sports, das ein Bolus auch noch nach fünf bis sechs Stunden (!) seine Sport-BEs einfordert.


2. Blutzucker messen

Für mich ist eine Blutzuckermessung vor dem Sport unabdingbar. Denn ohne diese weiß ich nicht, ob der unverzichtbare Sicherheitspuffer nach unten gegeben ist, um nicht in den ersten Minuten meines Trainings in eine Hypoglykämie abzurutschen. Zum anderen muss ich auch eine Ketoazidose (absoluter Insulinmangel) ausschließen, weil diese – und im gesteigerten Maße durch Sport – eine lebensgefährliche Bedrohung ist.

Deshalb halte ich mich an folgende Regeln:

I. Start nur mit einem Blutzucker von mindestens 150!

II. Ist mein Blutzucker größer als 250, überprüfe ich zusätzlich Ketone (im Urin, besser noch im Blut).
Sind diese negativ, steht dem Sport auch ein hoher Blutzuckerwert nicht im Weg …


3. Die für das geplante Training spezifische Therapieanpassung entwickeln und durchführen

Abhängig von meinen Vorüberlegungen und dem gemessenen Blutzucker entwerfe ich eine Therapieanpassung, mit der Sport ohne Hypo möglich ist. Da diese Anpassungen von Training zu Training aufgrund der vielen beeinflussenden Faktoren sehr unterschiedlich ist, gibt es keine Patentrezepte, sondern lediglich Beispiele, die erfolgreiche ebenso wie erfolglose Versuche dokumentieren.

(Wer sich einen Überblick über die Versuche verschaffen will, die ich in diesem Blog dokumentiert habe, benutze die Suchfunktion mit dem Begriff “Diabetes-Anpassung” oder klicke hier: Suche nach: Diabetes-Anpassung.)

Daneben haben sich zwei Prinzipien heraussgemendelt, die ich eigentlich sehr konsequent durchführe:

  • Bei einem Training von weniger als einer Stunde Dauer ändere ich nicht meine Basalrate, sondern esse die notwendigen Sport-BEs vorher.
  • Bei längeren Trainingseinheiten (mehr als eine Stunde) reduziere ich meine Basalrate (je nach Trainingsvorhaben und Tageszeit um 20 bis 50%; auch der Zeitpunkt der Reduktion richtet sich nach den genannten Faktoren und liegt zwischen 5 und 90 Minuten vor dem Training).
    Zudem esse ich die für die erste Trainingsstunde vorgesehenen Sport-BEs vor dem Training, die für die weiteren Stunden notwendigen Kohlenhydrate esse bzw. trinke ich währenddessen.
  • Während der Belastung messe ich meinen Blutzucker und überprüfe die Angemessenheit meiner vorgenommenen Therapieanpassung und ziehe notwendige Konsequenzen (diese sind essen, nicht essen oder einen Bolus geben, je nach gemessenen Blutzucker-Wert).
    Meine Faustregel für die Messzeitpunkte:
    Messe immer genau dann, wenn Du nicht weißt, wie hoch Dein Blutzucker gerade ist bzw. wie er sich derzeit entwickelt!


4. Lieber zu hoch fliegen – Not-BEs sind immer dabei!

Um sicher zu gehen, nicht irgendwann bewustlos im Wald liegen zu bleiben, stelle ich meinen Blutzucker immer mit einem ausreichenden Sicherheitspuffer ein: Bei einem Wert unter 150 nehme ich sofort Nahrung zu mir, bei einem Wert unter 100 unterbreche ich mein Training.

Damit dies überhaupt möglich ist, habe ich stets die dreifache Menge der “normalerweise” benötigten Sport-BEs dabei. Dazu gehören auch eine ausreichende Menge Hypohelfer (Vorsicht bei Sportgels, die ausschließlich aus Maltodextrin bestehen: Diese sind hervorragende Gels für die normale Versorgung, bei einer Hypo sind sie jedoch nicht erste Wahl, weil sie zu langsam ins Blut gehen), je nach Dauer habe ich ausreichend Cola, Jubin, PowerBar-Gels o. ä. dabei, um notfalls zwei bis vier Unterzuckerungen sicher begegnen zu können.


5. Und nach dem Sport?

Auch nach dem Sport messe ich erst einmal meinen Blutzucker und überlege mir die nun notwendige erneute Therapieanpassung, die den blutzuckersenkenden Muskelauffülleffekt nach dem Sport berücksichtigt:

  • Bei einem zu hohen Wert korrigiere ich sehr vorsichtig (eine bis zwei Einheiten weniger, als der Korrekturfaktor eigentlich vorsieht),
  • bei einem normoglykämischen Wert esse ich ein bis zwei BEs ohne Bolusabgabe, um dem blutzuckersenkenden Muskelauffülleffekt ausreichend Futter zu geben, und
  • falls ich richtig Hunger habe, berechne ich meinen normaler Weise benötigten Bolus, reduziere diesen aber – wie beim Korrekturfaktor beschrieben – um ein bis zwei Einheiten.
  • Hatte ich meine Basalrate für das Training reduziert, so lasse ich diese noch einige Stunden (abhängig von Dauer und Intensität des Trainings) um 10% reduziert weiter laufen.


6. Training macht den Meister

Zuletzt kommt der vielleicht wichtigste Schritt, möchte man seinen Diabetes auch beim Sport wirklich packen: Die Auswertung des Erfolgs oder Misserfolgs der Therapie-Anpassung. Denn ausschließlich das Überprüfen der getroffenen Entscheidungen und das dadurch ausgelöste Lernen ermöglichen, nach und nach besser zu verstehen, wie der eigene Körper mit samt seinen komplexen Stoffwechselvorgängen funktioniert.

Deshalb dokumentiere ich mein Training und die vorgenommenen Anpassungen, um Erfolge wiederholen und Misserfolge vermeiden zu können. Dadurch lerne ich aus jedem Training etwas über mich und meinen Diabetes und werde zugleich sicherer in der Einschätzung dessen, was nötig ist, um sowohl sicher als auch mit großem Spaß Sport zu treiben!

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[…] Sechs Schritte zur Anpassung meiner Diabetestherapie beim Sport […]

Annette Schemm

Das war doch mal ein sehr informativer Artikel, gleich bin ich guter Hoffnung den Berlin Marathon doch zu schaffen.Danke

Kathrin

Hallo erstmal,
ich laufe seit ungefähr Mai diesen Jahres. Und hatte am Anfang richtig Probleme nach dem Laufen. Am Anfang hatte ich nämlich nur die Basalrate an meiner Pumpe gesenkt, inzwischen lauf ich ganz ohne Pumpe.
Natürlich achte ich auf meinen BZ vorher. Er sollte bei mir auch nicht unter 120 sein, habe ich gemerkt. Perfekt zum laufen für mich ist ein Wert von 190. Wenn ich daheim bin, ist der BZ meist um die 80. Dann gibts auch erstmal ne Kleinigkeit zu essen. Und je nachdem was es Abends zu essen gab, wird gar kein Boli abgegeben. Dafür läuft die Basalrate der Pumpe normal weiter.

Gruß aus Franken
Kathrin

P.S. BZ-Gerät nehm ich net mit, aber Traubenzucker ist immer dabei.

Kathrin

Handy ist eh immer dabei. Hör ja meine Musik beim Laufen drüber.
Und das Novo Rapid Insulin hat ja eine Wirkungsdauer von 2,5 Stunden. Von da her kann auch nicht so schnell was passieren.

Gruß aus Franken

Sven

Hallo Andreas,

erstmal Wow zu deinen Leistungen und dann Danke für die Vielen tollen Tipps.
Ich bin seit gut 12 Jahren Typ1 (ICT mit Pen Lantus und Novorapid)

Ich hab mir schon oft gedanken über eine Pumpe gemacht, habe aber angst das ich viel Freiheit verliere und noch ein Gerät ständig bei mir tragen muss.

Ich Laufe seit März dieses Jahr und weiß das ich “mein” Hobby gefunden habe und unbedingt ein Marathoni werden will.
Frage mich allerdings ob es wirklich sinnvoll ist Pumpenlos zu bleiben?

VG Sven

Jan

Danke für die nützlichen Tipps….ich bin auch ein passionierter Läufer…

Steff

Danke für diesen Beitrag! Finde mich da wieder. Außerdem habe ich viel daraus gelernt. Vor allem das mit dem Lactattest/Leistungsdiagnostik fand ich interessant. Hatte ja überlegt vor meinem nächsten Marathon eine Leistungsdiagnostik machen zu lassen, bin mir aber nicht sicher, wie sinnvoll das ist und ob sich das lohnt… gerade für Typ-1-Diabetiker. Was wenn der Zucker dabei entgleist, wird dann das Ergebnis verfälscht? (Dumme) Fragen über Fragen…

Steff

Danke Andreas, damit hast du mir schon sehr viel weitergeholfen. Ich denke, ich werde mir demnächst einen Termin für ein Belastungs-EKG geben lassen. Hab ich auch schon länger drüber nachgedacht.

Bezüglich der Leistungsdiagnostik war ich mir schon länger unsicher, ob nun…oder ob nicht. Ich werde es erst mal lassen. Danke!

Habe derzeit auch mit einer Blutanämie zu kämpfen, die mich beim Training manchmal etwas in die Knie zwingt (Sauerstoffmangel). Hoffe, dass das bald wieder in Ordnung kommt. Schließlich beginnt jetzt ja wieder die Wettkampf-Saison. Für dich auch alles Gute für den Fuß!

Lieben Gruß
Steffi

Michael Röhrs-Sperber

Hallo Andreas,
erstmal danke für Deine wirklich guten Schilderungen.
ich trainiere seit etwa 8 Monaten auf den Hamburg-Marathon im Mai 2011. Ich bin seit 32 Jahre Typ1 Diabetiker, habe keine Spätfolgen und eine sehr eigenwillige Therapie: 1x abends Protaphan (normalerweise 18 IE,beim Sport weniger) und 2IE/BE Humalog.
Ich trainiere sehr engagiert nach Trainingsplan und Herzfrequenz. so habe ich es vom Laufeinsteiger vor etwa 8 Monaten zum Laufen von 30km Trainingsläufen gebracht.
Wegen der Trainingspläne habe ich eine Lactatbestimmung gemacht und möchte Sie nicht mehr missen. Ich weiß jetzt genau, wann meine anaerobe Zone bzw. die jeweiligen Trainingszonen beginnen/enden. Dies ist für mich sehr wichtig, da meine Therapieanpassung je nach Trainingszone völlig verschieden ist.
Laufe ich im Regenarationslauf (<65% der max HF) dann verbrenne ich die von die genannten BE-Anzahlen. Ich muss also Sport-BEs essen. eine Therapieanpassung brauche ich in diesem Bereicht nicht.
Laufe ich im GA1 Bereich (65-75% der max. HF) dann verbrate ich nur sehr wenig BEs, muss also nichts zuessen, wenn ich bei 160 bis 200 starte. Selbst nach 3 Stunden laufen muss ich max. nur 2 BE essen. Allerdings muss ich danach für etwa 6 Stunden meine Basalrate und meine Bolusraten um etwa 50% senken.
Laufe ich im GA1/2 Bereich (75-85%) dann wird es spannend. In diesem Bereich verbrauche ich nämlich keine BEs!! Mein Zucker steigt sogar eher (um etwa 50 – 100). Die erste halbe Stunde nach dem Laufen steigt der Zucker nochmal um 100 umd dann in der nächsten Stunde um etwa 200 zu fallen. Und dann kann ich ESSEN bis zum Abwinken – ohne Bolus. Meine Spitze liegt bei 15 oder 18 BE (ich weiß es nicht mehr so genau, da ich den 37iger Wert schnell erhöhen wollte). Hier macht sich also der Muskelauffülleffekt massiv bemerkbar. Die Therapieanpassung besteht in einer Drittelung der Basalrate (6IE!!) am Abend und eine Drittelung der Bolusrate. Dieser Zustand hält je nach Länge des Laufs und der Uhrzeit bis zu 15 Stunden an. In dieser Zeit messe ich fast stündlich und korrigiere oft mit SportBEs.
Im GA2 Bereich (85-90%) trainiere ich nur bei Sprints also sehr kurz und kann daher keine Aussage über seine Auswirkungen treffen.
Bei mir reicht es schon aus zwei Herzschläge über der anaeroben Schwelle zu laufen, also 75% – 77%, um meine Muskeln leer zu laufen und den oben beschriebenen Effekt zu bekommen.
Wenn ich also auf meinen Herzschlag achte, kann ich genau sagen (oder jedenfalls recht genau, den der Diabetes ist halt immer etwas anders…), welche Therapieanpassung ich machen muss. Ohne Herzschlaguhr und Lactatmessung müsste ich mich auf das Gefühl verlassen. Und das stimmt fast nie! Denn wenn man anfängt mit der Uhr zu laufen, stellt man fest, dass man oft viel zu schnell und zu hoch läuft.
BTW: So ein Trainingsplan bringt auch Spaß, denn man kann sehr gut seine Fortschritte sehen. Und die Lactatmessung kostet zwischen 60 – 120 Euro, je nachdem wo man sie macht.
mit laufenden Grüßen
Michael

Michael Röhrs-Sperber

Hallo Andreas,

freut mich, dass ich nicht allein diese Erfahrungen mache.
Ich würde mich über einen gemeinsamen Lauf freuen. Aber wahrscheinlich wirst Du schon eine Stunde vor mir beim Pasta-vernichten sitzen 🙂 Denn mein Ziel beim diesjährigen Marathon heißt: Durchkommen in um die 5 Stunden… Ich traue mich noch nicht den ganzen Marathon im anaeroben Bereich zu laufen. Dann würde ich wohl auch 4:30 oder 4:20 schaffen 😉
Das mit dem Einhalten der Trainingzonen habe ich am Anfang auch nicht hinbekommen. Allerdings konnte ich dann nur mäßige Trainingsvorschritte sehen. Seit etwa 2 Monaten halte ich mich sklavisch an meinen Trainingsplan und kann fast jeden Monat 1km/h mehr bei den lange Läufen beobachten. Das bringt dann schon Spaß zu sehen, wie man auf einmal wirklich schneller wird.
Zu meiner Einstellung: Ja die ist wirklich etwas exotisch. Ich hatte da schon mal eine seeehr lange Diskussion mit einem Diabetologen. Er sagte – genau wie Du – das könne nicht funktionieren. Ich zeigte ihm dann aber meine Fastenprotokolle – ich faste ein bis zwei mal im Jahr für 10 – 14 Tage -, bei denen ich die Basalrate auf 8 absenken muss und trotzdem den ganzen Tag über keinen BZ-Anstieg habe. ich dachte manchmal schon, vielleicht ist die Bauchspeicheldrüse ja wieder angesprungen 🙂
Auf alle Fälle haben mich Deine Erfahrungen wieder dazu motiviert, über eine Pumpe (ich hatte mal eine vor 15 Jahren für 3 – 4 Jahre, Disetronic) und eine kontinuierliche Glucosemessung nachzudenken.
BTW: Super Grafik. Nur wie hast Du den Verlauf so hinbekommen, wenn Du nicht nach HF läufst.
mfg
Michael

Till

Super Blog, vielen Dank erst einmal –
Wirklich interessante Aspekte mit der Trainingsintensität und dem BE-Bedarf.

Wie zuvor ausgedrückt wurde, senkt mäßiger Sport den Blutzuckerspiegel.
Bei den Diabetes Typ 1ern ist ja eigentlich “nur” die Insulinproduktion kaputt. Wenn Gesunde laufen, so schüttet irgendwann die Leber dann Zucker aus, damit der Gesunde keine Unterzuckerung erfährt. Diese Funktion der Leber geht aber nur bei einem extrem niedrigen Insulinspiegel im Blut.

Nun meine Frage, wenn ich nahezu kein Basis oder Bolus im Blut habe, dann bräuchte ich doch KEINE SportBE ? Der Körper müsste den Zucker doch selbst produzieren. Aber ich habe Angst dieses auszuprobieren, ausserdem weiss ich nicht, ob mein BasisInsulin schon zu viel ist, um die Leber zu blockieren.
Ist mein Gedanke falsch oder liegen hier Erfahrungswerte vor ?

Gruss Till

Till

Hallo Andreas,

hochinteressant,
nun bin ich nicht gerade der Hochleistungssportler.
Wie es beschrieben wurde, wie bei mir auch, wirkt das vor dem Sport gespritzte Insulin wesentlich stärker.
Wenn ich etwas esse UND dazu spritze, anschliessen Sport treibe, dann wirkt das Insulin stärker, aber was ist mit der Nahrung ?
Wird die Nahrung erst nach dem Sport verdaut, so dass erst später der Blutzuckerspiegel ansteigt ?

Könnte es sein, dass beim Sport die Nahrung erst einmal unverdaut im Magen liegt, das Insulin zu wirken beginnt, der Blutzucker abfällt und nach dem Sport (wenn das Insulin schon abgebaut wurde) die Nahrung den Blutzucker wieder steigen lässt ? Wäre dieses denkbar ? (funktioniert natuerlich nur bei vollwertiger Nahrung, nicht bei Traubenzucker) Ich habe hier noch keine Erfahrungswerte.

Wie sind Deine Erfahrungen mit dem Essen ?

Beste Grüße,

Till

Horst

Hallo Andreas,

super Seite, schöner Blog – sehr motivierend!

Aus eigener Erfahrung möchte ich mich Deinen und Tills letzten Kommentaren anschließen auch zu einer erheblichen Reduktion von Insulin vor und beim Sport raten. Ein Nichtdiabetiker nimmt ja auch keine Sport BEs zu sich. Und ganz ehrlich, der Durchschnittsläufer wie ich hat nie etwas dagegen Gewicht zu verlieren. Ich esse lieber nach dem Sport Pflaumenkuchen mit Sahne als während des Sports eklige Glibbergele (habe ich natürlich trotzdem ausreichend dabei).

Ich bin knapp älter als Du, seit etwa 15 Jahren T1 und habe früher zunächst etwas rumprobiert was geht und was nicht. Für mich läuft es sich doch am besten nach dem Motto “Kein Insulin -kein Problem”. Marathon geht damit gut, wenn auch nicht in so Traumzeiten unter 3:15 (Glückwunsch!!!). Aber das liegt bei mir nicht am Zucker 🙂 Vor der Ketoazidose habe ich überhaupt gar keine Angst, die stellt sich doch eigentlich erst nach sehr langem Insulinmangel ein – Tage eher als Stunden, oder? Da ich keine Pumpe benutze, ist wahrscheinlich auch immer irgendein Rest Basis oder Bolus “unterwegs”.

Also, je nach Plan mit nicht zu viel und nicht zu wenig BZ in den Wettkampf, etwas Basisinsulin wenn man zwischendurch essen möchte, und gut ist. So ähnlich sollte Deine neue Strategie von 10% Basispumpenrate ja auch funktionieren.

Was ich eigentlich sagen will ist: Man sollte seinen Körper gut kennen und für alle Fälle genug Kohlenhydrate dabeihaben, aber dann einfach genießen und die BZ Werte nicht in den Vordergrund stellen. Für die Leser Deines Blogs ist Deine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Werten sicher großartig, sollte aber niemanden abschrecken. Wer nur so für den Hausgebrauch sporteln möchte und keine Topzeiten anstrebt kann dies auch mit sehr wenig Diabetes-spezifischem Aufwand realisieren.

Kleiner Erfahrungsbericht: Habe kürzlich meinen ersten Tri (OD 1,5/42/10) gemacht. 4h vorher 4IE Basal (klassisches “kurzes” Verzögerungszeug, kein Lanthan), etwa 2h vorher 1IE Humalog (schnelles) 30 min vorher ein paar Riegel, ein Gel direkt vor dem Start mit einem Wert von etwa 220 mg/dl. Zwischendurch mal ein Gel, und etwa 70 g Carbs aus der Trinkflasche. Nach gut unter drei Stunden und knapp unter 170 mg/ml im Ziel mit breitem Grinsen.

Schöne Grüße, ich werde Deine Berichte auf jeden Fall regelmäßig weiter verfolgen,

Horst (alias)

Heidi

Hallo,
ich weiß nicht, ob mein Kommentar jetzt zu 100% hierher passt. Aber Sport + Diabetes I bereitet mir und meinem Leben gerade sehr große Probleme. Ich finde keinen Arzt, der mich bei der Anpassung unterstützen kann. Mein eigentlicher Diabetologe sagt mir einfach ich soll Sport machen, der nicht anstrengend ist. Man müsse die Basiseinheiten nicht anpassen, obwohl ich das jetzt schon öfter gelesen habe. Und überhaupt könne ich mit meiner Krankheit einfach keinen Leistungssport betreiben. 🙁 Ich habe in den letzten Monaten einfach selbst experimentiert, aber das hat meinen Hba1c komplett negativ beeinflusst. Mein Internist hat mir jetzt eine Kur angeboten, bei der ich wieder besser eingestellt werden soll und vor allem auf das Thema Sport eingegangen werden soll. Meine Aufgabe dabei: eine Klinik suchen und finden. Das mit dem suchen hab ich hin bekommen. Das mit dem Finden nicht. Muss ich jetzt mit dem Laufen, dem Radfahren, dem Schwimmen und dem Handball aufhören? Das kann und will ich nicht akzeptieren. Erfahrungen? Vorschläge?

Thomas

Hallo Heidi,

ich habe vor ca. 2.5 Jahren Typ I Diabetes bekommen. Nach der Diagnose im Krankenhaus habe ich den Krankenschwestern gesagt, dass sie sich anstrengen sollen mich wieder Fit zu bekommen, da ich in 3 Monaten eine Halbmarathon hätte. Sie habe mir gesagt, ich könne durchaus weiter Sport machen und solle es aber etwas ruhiger angehen. Ich bin den Lauf mitgelaufen und bin auch gut zurecht gekommen. Jedoch habe ich mich auch gut vorbereitet, bin viel gelaufen und habe viel ausprobiert und ausgestestet. Ich war direkt nach dem Krankenhaus auch auf Kur in der Saale-Klinik in Bad Kissingen. Ich würde es so formulieren, ambitionierte sportliche Typ I Diabetiker waren nicht unbedingt der Schwerpunkt der Klinik. Von daher konnte ich mich nur mit den Betreuern/ Ärzten unterhalten und entsprechend ausprobieren. Ich habe keinen Vergleich, schlecht fand ich es nicht, aber beim nächsten mal würde ich nach etwas besseren Auschau halten. Ein anderer Patient hatten von Bad Mergenheim geschwärmt.

Mir haben die obigen Tipps sehr geholfen. Besonderst wichtig empfand ich es immer 2-3h nach dem Essen zu pausieren bevor ich mit dem Sport beginn. Alles immer gleich zu belassen hilft mit Sicherheit auch sehr viel.

Empfehlen kann ich dir auch sehr das Buch von Ulrike Turm und Bernhard Gehr: “Diabetes- und Sportfibel. Mit Diabetes weiter laufen”. Mein Fazit: Unterhalte dich mit vielen, frage viel, lese viel, frage deine Arzt und Diabetesberater und bilde dir schliesslich deine eigene Meinung und finde deinen eigenen Weg, aber lass es ruhig angehen. Wenn sie dir nicht weiterhelfen können oder wollen, ist es an der Zeit einen anderen Arzt zu finden, welcher dich besser unterstützen kann.

Es ist sicherlich nicht immer einfach, man muss auch Kompromisse eingehen und entsprechend planen. Jedoch für mich persönlich kann ich sagen, dass ich sportlich weit über meine Leistungen vor dem Diabetes hinaus gewachsen bin (bewusstere Ernährung und weniger Gewicht). Einen Halbmarathon laufe ich jetzt ca. 20min schneller. Das einzige Hobby, welches ich mir noch nicht wieder erkämpft habe ist Tauchen (sicherlich auch aufgrund anderer Freizeitaktivitäten).

Viele Grüße und vorallem viel Erfolg,

Thomas

Heidi

Vielen Dank für eure Kommentare. Zumindest bin ich jetzt nicht mehr ganz so frustriert. Auch wenn ich immer noch nicht weiß, welche Klinik ich meinem Arzt vorschlagen soll. Aber zumindest habe ich ein paar frische Ideen. Danke!

Kirsten

Hallo Andreas oder alle Anderen,endlich habe ich mal eine Seite gefunden wo mehr Sport verbunden mit Leistungssport im Vordergrund steht.Meine Tochter 10 Jahre seit
2,5 Jahren Diabetes Typ 1 macht seit 4 Jahren Langlauf.Davon 2 Jahre auf Leistungsebene.Natürlich klappt das nur mit Hilfe der Eltern einigermaßen.Sie hat Talent und ist mit Leib und Seele dabei.Nur jetzt geht es auf Trainingslehrgänge mal 1Woche mal ein paar Tage.Bisher war sie einmal mit,wobei mein Mann mitgefahren ist.Das geht aber nicht immer,wegen der Arbeit und natürlich auch wegen der Kosten.Sie will und muss natürlich auch mit damit sie auch ihre Leistung steigern kann.Wir wissen nur leider nicht wie das alles klappen soll.Sie ist schon recht selbstständig und wir haben auch schon neben einer Reha und diversen Diabetesschulungen alles mitgemacht.Aber so alleine 2-3mal täglich Training ist doch für ein Kind noch zuviel Verantwortung und so können wir sie dann doch nicht mitlassen.Die Trainer sind allesamt sehr nett und unterstützen uns wie es geht .Besser geht es nicht.Nur was sollen wir machen oder wo gibt es vielleicht einen Sportmediziner der einem helfen kann. vielen Dank Kirsten

Phillip

Hallo Andreas hab mich schon mal vor ungefähr einem Jahr mit dir Unterhalten und wollte fragen ob es so etwas wie ein Forum Diabeteskranker Triathleten oder Ausdauersportler gibt würde mich da sehr gerne etwas Austauschen. Ich hab die Boxhandschuhe an den Nagel gehängt und mach jetzt Triathlon. Was ich dich persönlich fragen wollte ist das wenn du bei einem 10km Lauf am Limit läufst wirklich nur 1-2 BE benötigst ? Ist bei mir nämlich überhaupt nicht so. Mit steigender Intensität steigt auch der BE Bedarf(vor allem auf dem Rad) na ja ist halt bei mir so. Naja da gibt es noch so viel ……………..

Pitschi

Hallo Andreas,

wow, besser kann es nicht erklärt werden. Ich habe nach meiner Diagnose vor 3 Jahren gerade wieder mit dem Laufen angefangen und Dank Deinem Artikel bin ich viel entspannter und habe die nötige “Trial-And-Error-Geduld”, die beginnt Früchte zu tragen.

Danke.

Andreas

Hallo Pitschi,
vielen Dank für Deine lieben Worte: Genau das ist der Sinn und Zweck des Artikels, jedenfalls hoffe ich das.
Dir wünsche ich ganz viel Erfolg auf dem Weg zurück zum Laufen!
Andreas

Johannes

Mein Vater hat sein Leben lang viel Sport getrieben. Jetzt mit 65 ist bei ihm Diabetes diagnostiziert worden. Nun
überlegt er, wie er vor allem das Laufen mit der Diät vereinbaren kann. Dieser Blog wird ihn daher sicher sehr interessieren. Danke und viele Grüße

Heike

Vielen Dank für einen interessanten und informativen Beitrag. Meine Bekannte hat vor Kurzem erfahren, dass sie insulinabhängig ist. Jetzt muss sie lernen, damit zu leben. Gut zu wissen, dass sie auf Sport nicht verzichten muss. Mit vorsichtigem Training und richtigem Essen kann sie hoffentlich ganz fit bleiben.

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