Swim, bike, run – Triathlon beim kühlem Nieselpiesel in Hamburg

Bei Sonne und etwas höheren Temperaturen macht es eindeutig mehr Spaß, in der Alster zu schwimmen, durch die Hafencity und über die Reeperbahn zu radeln und durch die Hamburger City zu laufen. Aber man kann sich das Wetter nun einmal nicht aussuchen – ebenso wenig wie die Kapriolen, die der Blutzucker am Wettkampftag veranstaltet.

Eigentlich hatte ich mir für den diesjährigen Hamburger Triathlon am ersten Juliwochenende ja vorgenommen, erstmals in der Olympischen Distanz zu starten. Meine sportlichen Erfolge und meine richtig coole Trainingsmotivation von 2018 (persönliche Bestzeit in der Volksdistanz beim Hamburger Triathlon, der erste Halbmarathon in Amsterdam) hatten mich – vielleicht ein bisschen leichtsinnig – motiviert, mir ein neues sportliches Ziel zu stecken. Bei der Olympischen Distanz im Triathlon geht es um 1500 Meter Schwimmen (statt 500 in der Volksdistanz), 40 (statt 20) Kilometer Radfahren und 10 (statt 5) Kilometer Laufen. Wow, ganz schön happig – aber es sollte zu schaffen sein, oder? Ich meldete mich an.

Doch dann startete das Jahr 2019 ziemlich anders als 2018. Ich für meinen Teil hatte von Anfang an nicht soooo viel Lust zu trainieren. Dann zeichnete sich ab, dass bei Christoph eine berufliche Neuorientierung ins Haus stehen würde – mit all den Überlegungen und Zweifeln, die zu so einer Phase nun einmal dazugehören. Anstatt zu trainieren, fanden wir uns häufiger mit einer Flasche Wein auf dem Sofa, um über die Zukunft zu sprechen und unterschiedliche Szenarien zu entwerfen. Das hilft weder beim Erreichen sportlicher Ziele, noch ist es besonders figurfreundlich. Doch so ist das Leben eben manchmal. Etliche der 2018 so toll abgespeckten Kilos kehrten auf unsere Hüften zurück, Laufschuhe und Rennräder kamen nur selten ans Tageslicht.

Olympische Distanz stand mir bedrohlich bevor

Irgendwann war mir klar, dass mir der Hamburger Triathlon in der Olympischen Distanz bedrohlich bevorsteht und ich mich überhaupt nicht darauf freue. Also beschloss ich, meinen Startplatz weiterzugeben (er landete übrigens bei Tobias von der IDAA, der auf diesem Wege doch noch in Hamburg in seiner Wunschdistanz starten konnte) und mir stattdessen von einem verhinderten Starter einen Platz in der Volksdistanz zu besorgen. Damit habe ich schließlich genug Erfahrung, diese Distanzen kann ich meinem Körper zur Not auch ohne intensives Training abverlangen.

Nicht super trainiert, aber doch nicht unvorbereitet

Ganz ohne Training bin ich natürlich doch nicht in den Wettkampf gezogen. Ich war regelmäßig ein- bis zweimal pro Woche laufen, etliche Male mit dem Rennrad unterwegs, habe an drei Wochenenden Koppeltraining absolviert und eine Woche vor dem Triathlon auch meine obligatorische Generalprobe durchgezogen. Alles okay, auch wenn mir klar war, dass ich meine persönliche Bestzeit von 2018 (1:41:35 Stunden) nicht würde halten können.

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Frühaufstehen am Wettkampftag

Am Nachmittag vor unserem Wettkampf traf Beate vom Nachbarblog Beate putzt bei uns ein. Sie übernachtete bei uns, weil sie eine deutlich weitere Anreise nach Hamburg hat als wir von Elmshorn aus. Gemeinsam tingelten wir nach Hamburg, um die Strecke zu begutachten und unsere Startunterlagen abzuholen. Glücklicherweise sollten wir beide im selbsen Block um 8:52 Uhr starten. Beim Abendbrot rechneten wir aus, wann wir aufstehen und frühstücken müssen, damit beim Start kein aktives Insulin mehr an Bord ist und einigten uns auf 4 Uhr. Brrrr, ein entspanntes Wochenende sieht anders aus! Ich hatte wenig Lust, mich schon zu dieser nachtschlafenden Zeit aus den Federn zu quälen – zumal Christoph bereits beide Wochenenden zuvor ab morgens um 7 Uhr als Triathlon-Kampfrichter bei kleineren Wettkämpfen im Einsatz war und jedes Mal mitten in der Nacht der Wecker klingelte. Doch es hilft ja nix, ein Blutzucker-Desaster wie bei meinem zweiten Halbmarathon im Spreewald, bei dem noch ein Rest vom Frühstücksbolus aktiv war und meinen Zucker permanent auf Talfahrt geschickt hatte, wollte ich unbedingt vermeiden.

Im Wettkampf ganz andere Zuckerwerte als im Training

Das gelang letztlich auch – allerdings benahm sich mein Zucker dieses Mal auf andere Weise anders als gedacht. Kurz vor dem Schwimmstart, wo Beate und ich unserem IDAA-Vereinskollegen Tobias noch ein paar Diabetesutensilien zum Aufbewahren übergeben konnten, lag mein Glukosewert bei 175 mg/dL und damit perfekt für den Start in eine längere sportliche Aktivität. Die Alster war kalt, doch das Schwimmen fiel mir nicht schwer. Nach gut 15 Minuten kletterte ich aus dem Wasser und lief zügig in die Wechselzone. Dort hatte ich das Lesegerät meines Freestyle Libre deponiert, damit ich beim Radfahren und Laufen meine Werte checken konnte. Der Zuckerwert von 198 mg/dL war höher als ich es erwartet hatte, doch er überraschte mich auch nicht sonderlich: Im Wettkampf habe ich wegen der Aufregung und der damit verbundenen Adrenalinausschüttung schon häufiger deutlich weniger Sport-KE zu mir nehmen müssen als im Training.

Radstrecke: Frisch, windig, etwas nass

Ich griff fürs Radfahren also zu der Trinkflasche mit reinem Wasser (nicht zu der Flasche mit Saftschorle), setzte meinen Helm auf, schlüpfte in meine Schuhe, schnallte mir die Startnummer um und trabte mit meinem Rad in Richtung Radstrecke. Es war frisch und recht windig, die Straßen waren noch etwas nass vom morgendlichen Regen. Ich wollte keinen Sturz riskieren und gab deshalb kein Vollgas. Die Strecke bot keine Überraschungen, schließlich war ich sie schon 6x zuvor mit nur wenigen Variationen beim Hamburger Triathlon gefahren. Vielleicht lag es daran, dass sich keine echte Euphorie einstellen wollte – alles war längst vertraut, bekannt, wie immer.

Ich kenne auf der Laufstrecke jede Ecke auswendig

Als ich nach knapp 48 Minuten auf dem Rad wieder die Wechselzone erreichte, lag mein Glukosewert immer noch bei 180 mg/dL – und zwar ohne dass ich seit dem Frühstück auch nur ein Gramm Kohlenhydrate zu mir genommen hatte. Das fand ich nun doch ein wenig ungewöhnlich. Vorsichtshalber steckte ich ein Sportgel ein, damit ich für einen plötzlichen Blutzuckerabfall gewappnet wäre. Rennrad zurück an den Platz, Helm abnehmen, Startnummer nach vorn drehen, und ab auf die Laufstrecke. Seit ich 2013 zum ersten Mal beim Hamburger Triathlon gestartet bin, ist diese Strecke überhaupt nicht verändert worden. Und so kenne ich mittlerweile jeden Abschnitt auswendig. Ich weiß ganz genau, wo die Fotografen sich positionieren und an welchen Stellen es Getränke gibt. Meine Beine erinnern sich, ab wo es Zeit ist, sich auf den Zieleinlauf zu freuen, sich noch einmal zu straffen und die letzten Reserven zu mobilisieren.

Auch im Ziel noch ein Zuckerwert von 178 mg/dL

Der Zielsprint über den blauen Teppich war toll – wie immer. Ich hatte insgesamt 1:50:31 Stunden für die gesamte Strecke gebraucht, ließ mir meine Medaille umhängen und war angesichts des Wetters und meines nicht ganz optimalen Trainingszustands auch halbwegs zufrieden. Im Ziel wurde ich von Tobi in Empfang genommen und beglückwünscht, ein Weilchen später kam auch Beate ins Ziel. Mein Zuckerwert hatte sich erstaunlicherweise immer noch nicht groß verändert, er lag immer noch bei 178 mg/dL. Doch erfahrungsgemäß holt sich der Körper den verbrauchten Zucker irgendwann zurück – man weiß nur nicht immer genau, wann dies der Fall sein wird.

Viele Überlegungen – und etliche Fehleinschätzungen

Der Rest des Tages war für mich zuckertechnisch deshalb ein ziemlicher Eiertanz. Ein kleiner Auszug aus meinen Überlegungen: Soll ich für das alkoholfreie Weizenbier überhaupt Insulin spritzen? Ich lasse es lieber. Aber der Butterkuchen im Ziel? Den berechne ich besser doch. Wir müssen aber noch ein Weilchen herumlaufen, unsere Startbeutel abholen, zum Athletendorf mit den Duschen gehen, von dort wieder zurück an die Alster zum Restaurant, wo wir uns mit den IDAA-Vereinskollegen zum Essen verabredet haben (wir haben es dieses Mal leider komplett versäumt, ein Gruppenfoto mit unserer insgesamt zehnköpfigen Truppe zu machen, Mist!). Also reduziere ich den Bolus – wegen des Muskelauffülleffekts und der erneuten Bewegung. Das Essen im Restaurant berechne ich ebenfalls nicht voll, schließlich müssen wir danach noch zu Fuß zur Bahn. Tja, bei all diesen Überlegungen war auch die eine oder andere Fehlentscheidung dabei, wie man an meinem Zuckerprofil sehen kann – der rot eingekreiste Bereich zeigt die Werte während des Wettkampfs.

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Ihr seht also, es ist überall noch Luft nach oben – was mein Training angeht, aber auch meine Motivation, meine Zuckerwerte und nicht zuletzt das Wetter. 🙂

Am Sonntag begleiteten Beate und ich dann Tobi durch seinen Wettkampf – er startete in der Olympischen Distanz und hatte mit noch etwas ungemütlicheren Wetterbedingungen zu kämpfen als wir. Und wieder einmal zeigte sich, dass auch Triathlon-Support eine eigenständige, durchaus anspruchsvolle Disziplin ist. Es gelang uns tatsächlich, Tobi beim Schwimmstart, unmittelbar nach dem Schwimmausstieg, bei der Einfahrt in die Wechselzone am Ende der Radstrecke, beim Start auf die Laufstrecke UND beim Zieleinlauf abzupassen, anzufeuern und zu fotografieren. Eine Leistung, auf die ich beinahe ebenso stolz bin wie auf meine eigenen sportlichen Ergebnisse…

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Andreas

Oh, Respekt, das wäre ja so gar nicht mein Wetter gewesen, da hätte ich wieder gekniffen. Sich da ins Wasser zu schmeißen und danach Rad zu fahren … Laufen macht dann ja schon fast wieder Spaß!
Meine Strategie zum 0-Bolus beim Start: In der letzten Stunde vor’m Start frühstücken. Wenn es der Magen mitmacht und beim Schwimmen nicht stört, hat dies einen Vorteil: Viel später aufstehen!
Danke für den Bericht
Andreas

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